Gmünder Tagespost  – 27. Juli, 2017

Ania Losinger und Mats Eser ernten in der Johanniskirche für ihre Klang-Performance frenetischen Beifall

Nachdem Ania Losinger ihre beiden mannshohen Stöcke wieder in einem filigranen Gestell in luftiger Höhe verstaut und ihr Partner Mats Eser seine Schlägel aus der Hand gelegt hat, brandet ihnen in der ausverkauften Johanniskirche von Bravorufen begleiteter frenetischer Beifall entgegen. Warum eigentlich? Weil das Publikum einer magischen Meditation beiwohnen durfte? Weil es darüber staunen durfte, wie man mit Tönen Klangbillard spielt? Oder weil das Mysterium einer klangkörperlichen Erscheinung von höchster dynamischer Ästhetik es Zeit und Raum vergessen liess? Wo doch gerade Zeit und Raum bestimmende Koordinaten dieser, ja was nun – Performance? Tanz-Musik? Konzert-Tanz? Klangbewegung? – waren.
Selten liest man diese Mischung aus Begeisterung und Ratlosigkeit nach einer EKM-Veranstaltung in den Gesichtern. “Das pack`ich intellektuell nicht”, gesteht ein Zuhörer. Weil dieses emotionale Ereignis nur mit dem Bauch, also dem Gemüt, zu fassen ist? Wieder nein. Um diesen Effekt der Entgrenzung zu erzielen, muss alles stimmen. Kein Platz für Improvisation, wenn Ania Losinger, die mit ihrem biegsamen Stahlfederleib wirkt, wie gerade einer antiken Tragödie entstiegen, mit Stöcken und Schuhabsätzen das von ihr mit entwickelte Bodenxylophon Xala tanzend bespielt. Rhythmisch stanzt sie die Töne in den mit Clustern gewirkten Klangteppich, den Mats Eser auf Marimba, Zimbeln, Becken und Trommeln ausbreitet.
Das Programmheft erklärt, was das Publikum in “Music for an Open Space” sehend hört: “Zwölf musikalische Bilder ertönen aus der Stille, jedes in sich um einen Grundton kreisend, aufgereiht im Quintenzirkel der abendländischen Musik.” So viel zu Theorie. In der Praxis versetzt eine schöne Schamanin die Teilnehmer einer Séance in wohltuende Trance. Oder ist sie die Hohe Priesterin eines religiösen Rituals? Würde gut zu diesem erhabenen Raum mit seinen steinernen Bewohnern aus alter Zeit passen. Einer von ihnen hat unter seinem gekrönten Haupt Eser über die Schulter geschaut. Seinem kleinen Nebenmann haben die Scheinwerfer die statischen Hände mit einem Schattenschlagzeug belebt. Das Licht verwandelt auch die Tänzerin in eine Riesin – und deformiert die Schöne in der Diagonalen auf einer Säule hinter ihr zu einer surrealen Figur. Ein Schattenspiel der besonderen Art in der Stadt des Schattentheaters. Ja, diese in jeder Hinsicht raumfüllende Performance könnte einen endlos räsonieren lassen. Das eigentliche Geheimnis dieses Abends? Schluss!

Wolfgang Nussbaumer

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